Liebe Betriebsrätin, lieber Betriebsrat,
das Bundesarbeitsgericht (BAG) bleibt leider bei seiner Linie, die so aussieht:
Wenn Ihr Arbeitgeber zu wenig Beschäftigte für die zu leistende Arbeit einstellt bzw. einteilt, und Überlastung droht, können Sie als Betriebsrat trotzdem keinen speziellen Personalschlüssel verlangen. Auch eine Einigungsstelle zu dieser strittigen Frage ist nicht möglich. Ihr Spruch wäre unwirksam. Aber:
Sie können etwas anderes machen. Sie können die Sicherheitsfachkraft mit ins Boot holen. Denn wenn eine Gefährdungsbeurteilung eine Überlastungsgefahr aufzeigt, können Sie nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aktiv werden. Wenn nämlich eine konkrete Gefährdung von Kolleginnen oder Kollegen vorliegt, ist Ihr Handeln möglich. Schließlich setzt Ihr Mitbestimmungsrecht im Fall einer solchen Gefährdung sofort ein (BAG, Urteil vom 17.12.2021, Az: 1 ABR 25/20).
Kündigung von Betriebsratsmitgliedern: Mit diesem Schreiben verweigern Sie die Zustimmung rechtssicher
Das ist mal ein Hammerschreiben. Es hat mich am Montag erreicht. Eine Leserin schreibt:
„Wir sind entsetzt. Unter einem fadenscheinigen Vorwand will der Arbeitgeber unseren Betriebsratsvorsitzenden fristlos kündigen. Unser Vorsitzender hatte auf der Betriebsversammlung geäußert, dass die geplanten neuen Mitarbeiterkontrollen außerhalb jeglicher Legitimität sind und an dunkelste deutsche Vergangenheit erinnern.
Ich bin die zweite Vorsitzende und möchte nun alles absolut richtig machen. Wir werden die ustimmung keinesfalls geben. Wie gehen wir vor?“
Die Lösung: Klar ist: Als Betriebsrat genießen Sie Sonderkündigungsschutz (§ 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)). Sie dürfen deshalb nicht ordentlich gekündigt werden. Das gilt natürlich auch für den Betriebsratsvorsitzenden. Aber: Eine außerordentliche Kündigung ist natürlich möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich macht. Für Ihren Fall sehe ich das nicht, wohl aber ist darüber nachzudenken, ob eine Abmahnung gerechtfertigt wäre.
So können Sie Ihren Widerspruch formulieren:
Der Betriebsrat der … (Name der Firma) Ort, Datum
An die Geschäftsleitung der … (Name der Firma)
Außerordentliche Kündigung des Betriebsratsmitglieds …
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben dem Betriebsrat am … mitgeteilt, dass Sie planen, das Betriebsratsmitglied … (Name) gemäß § 626 BGB zu kündigen. Der Betriebsrat hat in seiner eigens dafür einberufenen Sitzung am … beschlossen, dieser beabsichtigten außerordentlichen Kündigung die Zustimmung zu verweigern.
Das Argument, Herrn/Frau … wegen seiner/ihrer überzogenen Äußerungen fristlos zu kündigen, vermag nicht zu überzeugen. Selbstverständlich hätte Herr/Frau … sich zweifelsohne geschickter ausdrücken können. Jedoch waren die Auswirkungen für Sie als Arbeitgeber nicht so gravierend, dass eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt erscheint. Denn Herr/Frau … ist seiner/ihrer Arbeit als Betriebsratsmitglied nach Ihren Aussagen stets gewissenhaft und angemessen nachgekommen. Eine Abmahnung erscheint dem Betriebsrat deshalb das geeignete Mittel, Herrn/Frau … auf seine/ihre Pflichtverletzung aufmerksam zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift Betriebsratsvorsitzende(r)
Mein Tipp Unabhängig davon, empfehle ich Ihnen, bei Kündigungen von Betriebsratsmitgliedern immer auch zu prüfen, ob der Arbeitgeber formal alles richtig gemacht hat. Hier passieren oft Fehler. Prüfen Sie deshalb im Fall der Fälle, ob eine Kündigung bereits aufgrund eines formalen Fehlers unwirksam ist. So kann Ihre Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung eines Gremiumskollegen z. B. nicht nachträglich eingeholt werden.
Aber: Auch wenn Sie als Betriebsrat vor Kündigungen gut geschützt sind – vor allem wenn es um Äußerungen oder Vorgehensweisen im Zusammenhang mit der Erledigung Ihrer Aufgaben geht – empfehle ich Ihnen dringend, in Auseinandersetzungen und Betriebsversammlungen stets sachlich zu bleiben. Und zwar auch dann, wenn Sie – wie es in Ihrem Amt einfach hin und wieder nötig ist – etwas drastisch formulieren müssen, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Riskieren Sie nicht das Ende Ihrer Amtszeit aufgrund einer unnötigen, übertriebenen Äußerung gegenüber Ihrem Arbeitgeber oder anderen Gesprächspartnern.
Freiwillige Betriebsvereinbarungen: Das große Praxis-Abc für junge und auch für die erfahrenen Mitglieder in Ihrem Betriebsrat In Kürze sind die Betriebsratswahlen abgeschlossen. Dann wird durchgestartet. Vor allem die neuen Betriebsratsmitglieder wollen möglicherweise schnell ihre Duftmarken in Form neuer Betriebsvereinbarungen hinterlassen. Das ist nur legitim. Aber: Viele der angedachten Betriebsvereinbarungen werden sich höchstwahrscheinlich im Bereich der „freiwilligen“, also nicht erzwingbaren Betriebsvereinbarungen abspielen. Und das heißt vor allem: Diese müssen dem neuen Arbeitgeber erst einmal schmackhaft gemacht werden.
Mein Tipp Mit dem großen Praxis-Abc zu freiwilligen Betriebsvereinbarungen werden Sie zum Verhandlungsgenie – und können neuen Betriebsratsmitgliedern gleich zeigen, wie das geht, mit den freiwilligen Betriebsvereinbarungen.
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Ihre
 Andrea Einziger Redaktionsleitung |