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Ausgabe KW 20/2024
8. Jahrgang

Wann kann Ihr Arbeitgeber einen Teilzeitwunsch ablehnen – und mit welcher Begründung?


Dass nicht jeder Arbeitgeber auf den von einer Beschäftigten oder einem Beschäftigten Teilzeitwunsch mit Begeisterung reagiert, liegt auf der Hand. Will er die Umsetzung des Wunsches verhindern, muss er aber dringende betriebliche Gründe angeben können. Schweigt er, gilt dies als Zustimmung. Doch was heißt eigentlich „dringende betriebliche Gründe“? Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Cottbus mit seinem frisch veröffentlichten Urteil vom 7.12.2023 jetzt konkretisiert (Az: 2 Ca 62/23).

Mein Tipp 
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In welchen Fällen Ihr Arbeitgeber die Umkleide- und Wegezeiten zahlen muss

Liebe Betriebsrätin,
lieber Betriebsrat, 

kann eine Corona-Infektion ein Arbeitsunfall sein? Diese Frage wurde bislang an den unteren Sozialgerichten kontrovers behandelt. Nun hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschieden: Ja, eine solche Infektion kann ein Arbeitsunfall sein (am 8.5.2024 veröffentlichtes Urteil vom 29.4.2024, Az: L 1 U 2085/23).

Im entschieden Fall erkrankte ein Arbeitnehmer an Corona. Es kam insbesondere ein Kollege als „Indexperson“ in Betracht, also als Person, von der die Infektion möglicherweise herrührt. Dieser Kollege war im fraglichen Infektionszeitraum positiv getestet worden. 

Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Eine Infektion während einer versicherten betrieblichen Verrichtung sei nicht nachgewiesen.

Der Arbeitnehmer, der unter erheblichen Spätfolgen leidet, erhob Klage. Dabei machte er unter anderem geltend, dass dieser Kollegen schon vor dem positiven Test „herumgeschnupft“ habe. Das gab der Arbeitnehmer als Zeuge auch zu. Er gab an, bei ihm seien die ersten Symptome bereits früher, nämlich am Freitag, dem 5.3., aufgetreten. Es stellte sich auch heraus, dass er am 5.3. nicht im Betrieb gewesen war.

Allerdings war bereits die Ehefrau des Kollegen schon am 3.3.2021 positiv getestet worden. Die Infektionskette sei also dort in Gang gekommen.

Wie hat das Gericht entschieden?

Gegen den Betroffenen. Die Ansteckungsgefahr bei der damaligen weltweiten Pandemie sei per se in allen Bereichen des Lebens massiv erhöht gewesen. Man hätte sich überall anstecken können. Dass der andere Kollege bereits Tage vorher „rumgeschnupft“ hatte, reicht als Beweis nicht aus. Zu unspezifisch, so das Gericht.

Fazit
Es bleibt dabei: Eine Corona-Infektion lässt sich nur selten als Berufsunfall anerkennen, der dann entsprechende Leistungen der Berufsgenossenschaft auslösen würde. Das Gericht sagt klar: Die Betroffenen selbst müssen für Beweise sorgen, die dann vor Gericht geprüft werden können. Wenn Betroffene sich an Sie wenden: Überlegen Sie gemeinsam, ob und welche Beweise sich beschaffen lassen. Im entschiedenen Fall hatten Kollege und Arbeitgeber bereitwillig Auskunft gegeben. Trotzdem war das für das Gericht noch nicht genug. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Infektion und Infektionsort (Arbeitsplatz) muss eindeutig sein.

Damit ist es aber auch schon höchste Zeit für den Tipp der Woche.

Umkleide- und Wegezeiten: Wann besteht ein Vergütungsanspruch?


In der Praxis gibt es häufig Streit zu der Frage: Wann gehören Wege- und Umkleidezeiten zur bezahlten Arbeit – und wann nicht? 

Fallbeispiel: Keine Vergütung für Umkleidezeiten bei VW 
Ein VW-Mitarbeiter, der während der Arbeit persönliche Schutzausrüstung trägt, klagte auf die Bezahlung der Umkleide- und Wegezeiten. Obwohl seine reguläre Arbeitszeit am Arbeitsplatz beginnt und endet und die Umkleidezeiten unbezahlt sind, hatte seine Klage auf Bezahlung keinen Erfolg (Urteil vom 21.7.2021, Az: 5 AZR 110/21).

Das BAG entschied in diesem grundsätzlichen Urteil ganz klar:
  • Umkleidezeiten gelten nur unter bestimmten Bedingungen als Arbeitszeit, vor allem wenn das Umkleiden für die Tätigkeit unerlässlich ist und entsprechend geregelt wurde. 
  • Und auch das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung oder auffälligen Uniformen für ein einheitliches öffentliches Erscheinungsbild führt nicht automatisch zur Vergütung.
Dazu passt ein Urteil aus dem Jahr 2023. Es stammt vom Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg (Urteil vom 6.6.2023, Az: 7 Sa 275/22).

Wenn jemand einer Tätigkeit nachgeht, wodurch am Arbeitsplatz eine Verschmutzung erfolgt, die „deutlich über das Maß hinausgeht, das üblicherweise im Privatleben anfällt“ sind Duschzeiten (und der Weg zur Dusche) Arbeitszeiten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Verschmutzung des Körpers es unzumutbar macht, den Betrieb ohne Duschen zu verlassen oder nicht.

Der vor Gericht klagende Arbeitnehmer musste im Rahmen seiner Tätigkeit rostige und beschädigte Stellen an Transportcontainern abschleifen und nachlackieren. Obwohl er Arbeitskleidung gestellt bekam, blieb eine „Eigenverschmutzung“ nicht aus. Der Arbeitnehmer duschte deshalb vor dem Nachhauseweg. 

Doch während sein Arbeitgeber meinte, dass er weder die Umkleidezeiten noch das Waschen oder Duschen als Arbeitszeit bezahlen muss, sah das der Arbeitnehmer anders. Er klagte – und gewann.

Begründung
  1. Der Arbeitgeber hatte das Tragen der Arbeitskleidung angeordnet. Für das Umziehen gibt es einen eigenen Raum. Daher gehört es zur Arbeitszeit.
  2. Auch die Wegezeiten von der Umkleide zum Arbeitsplatz sind Arbeitszeit.
  3. Waschen und Duschen auch – „weil die Verunreinigung des Körpers deutlich über das Maß hinausgeht, das üblicherweise im Privatleben anfällt“.
Achtung!
Ein Tarifvertrag könnte hier auch etwas anderes regeln. Das aber war im entschiedenen Fall nicht gegeben.

Immerhin: Nach dem Urteil aus Nürnberg muss der Arbeitgeber nun täglich insgesamt 21 Minuten für das Umkleiden, Waschen und für Wege vergüten. Gut so.

Mein Tipp
Es ist wichtig, dass klare Regelungen zur Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten bestehen. Sollte kein entsprechender Tarifvertrag vorliegen, können Sie Regelungen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung treffen. Schließlich haben Sie umfangreiche Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeitgestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Also: Ran an das Thema, falls es im Betrieb Ihres Arbeitgebers immer mal wieder zum Streit darüber kommen sollte.

Extra-Tipp: Ohne vertragliche Regelung sind vergütungspflichtig:
  • Umkleide- und Wegezeiten im Betrieb
  • Umkleidezeit zu Hause, wenn es im Betrieb keine Räumlichkeiten hierfür gibt.
  • Die Zeit für den Umweg, den Ihr Mitarbeiter auf dem Weg von zu Hause zum Arbeitsplatz machen muss, um die betrieblichen Umkleideräume zu erreichen.
Beachten Sie: Die Vergütungspflicht gilt nicht, wenn Ihre Kolleginnen und Kollegen in Alltagskleidung arbeiten.

Wenn um den Interessenausgleich hart gekämpft wird: So setzen Sie sich als Betriebsrat durch

Zahlreiche Branchen erwarten aufgrund der andauernden Rezession und der nur schleppend verlaufenden Transformation einen Stellenabbau. Nicht immer wird sich das vermeiden lassen. Handeln Sie nach dem Motto: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Und das heißt: Beugen Sie schon jetzt mit Überlegungen für einen möglichen Interessenausgleich vor.

Mein Tipp
Erfolgreich geht es mit den Tipps aus der brandneuen Ausgabe des Betriebsrats-Informationsdienstes „Rechtswissen Betriebsrat“. Zum Kennenlernen erhalten Sie diese Ausgabe gratis. Sie brauchen nur hier zu klicken.

Ihre
Andrea Einziger
Redaktionsleitung