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Ausgabe KW 34/2024
8. Jahrgang

So profitieren schwerbehinderte Beschäftigte von einer barrierefreien Arbeitsplatzgestaltung


Viele Betriebe bzw. Dienststellen würden im Zuge des Fachkräftemangels durch Einstellung von gut qualifizierten Arbeitskräften mit Behinderung einen Riesenschritt nach vorne gehen. Und der Schlüssel zur Inklusion sind vor allem behinderungsgerechte, barrierefreie Arbeitsplätze. Doch noch immer gibt es beim Thema „Mitarbeiter mit Behinderung“ Bedenken seitens der Arbeitgeber. 

In der neuen Ausgabe von Inklusion aktiv – Aktuelle Tipps und Empfehlungen für Schwerbehinderten-Vertretungen, Betriebs- und Personalräte – erfahren Sie, wie Sie diese Bedenken „knacken“ und behinderten Kolleginnen und Kollegen eine faire Chance eröffnen. 

Sie erhalten diese Ausgabe zum Kennenlernen gratis. Sie brauchen nur hier zu klicken.

Wann Wasch- und Umkleidezeiten der Kolleginnen und Kollegen jetzt zu vergüten sind

Liebe Betriebsrätin,
lieber Betriebsrat, 

ein schönes Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) getroffen. Es schreibt in der Urteilsbegründung: Es wird festgestellt, dass die Wegezeit vom Umkleideraum zur Arbeitsstätte des Klägers und zurück vergütungspflichtige Arbeitszeit ist.

Eine gute Gelegenheit, dass ich Ihnen im Tipp der Woche einmal alles zu diesem Thema der vergütungspflichtigen Wasch- und Umkleidezeiten präsentiere.

Wasch- und Umkleidezeiten: Neues BAG-Urteil schafft Rechtssicherheit


Die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers begann stets damit, dass er sich im Betrieb seine Schutzkleidung anzog. Danach ging er zum Zeiterfassungsterminal, um sich einzuloggen. Bei Dienstschluss loggte er sich wieder aus – und zog sich um. Duschen musste er auch. Bei seiner Arbeit wurde er stets sehr schmutzig. 

Der Arbeitgeber meinte, dass Umkleide- und Duschzeiten keine Arbeitszeit darstellen. Das sieht das BAG anders.

Der Arbeitnehmer hat einen entsprechenden Vergütungsanspruch. Begründung des BAG in seinem Urteil vom 23.4.2024, Az: 5 AZR 212/23:

Beispiele für grobe Pflichtverletzungen:
  • Zu der im Dienste eines anderen erbrachten Arbeitsleistung i. S. v. § 611a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede … Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt.
  • Um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelt es sich regelmäßig bei dem An- und Ablegen einer vom Arbeitgeber vorgeschriebenen und nur im Betrieb zu tragenden Dienstkleidung, wenn diese auf Anweisung des Arbeitgebers erfolgt. Das Umkleiden ist in diesem Fall ausschließlich fremdnützig. Daher muss der Arbeitgeber diese Arbeitszeit bezahlen (BAG, Urteil vom 13.10.2021, Az: 5 AZR 270/20).
  • Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten Schutzkleidung zur Verfügung stellt, die diese bei der Arbeit tragen und nach der Arbeit zur Reinigung wieder abgeben müssen.
  • In diesem Fall ist die Wegezeit vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück Teil der von der Beklagten geschuldeten vergütungspflichtigen Arbeitszeit (so auch BAG, Urteil vom 6.9.2017, Az: 5 AZR 382/16). Schließlich haben die Arbeitnehmer hier nicht die Möglichkeit, die Arbeitskleidung am Arbeitsplatz an- und abzulegen, sondern müssen dafür den räumlich getrennten Umkleideraum aufsuchen.
  • Körperreinigungszeiten dagegen gehören vor allem dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sie vom Arbeitgeber angeordnet sind – oder aufgrund von gesetzlichen Vorschriften (Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz) vorgeschrieben sind.
  • Körperreinigungszeiten gehören aber auch dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause – sei es durch Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs oder durch Nutzung eines eigenen Fahrzeugs – ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann (so auch BAG, Urteil vom 11.10.2000, Az: 5 AZR 122/99).
  • Dabei spielen aber Art und Umfang der ausgeübten Tätigkeit sowie der getragenen Arbeitskleidung eine Rolle. Die Ganzkörperreinigung (Duschen) gehört nur dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sie mit der eigentlichen Tätigkeit und der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt, wenn also die Erbringung der Arbeitsleistung ohne anschließendes Duschen nicht möglich ist und der gesamte Vorgang – arbeiten und duschen – deshalb fremdnützig (also „für den Arbeitgeber“ bzw. zur Erbringung der eigentlichen Arbeitszeit erforderlich sind.
  • Ist das Waschen aber erforderlich, um eine übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages zu beseitigen, besteht keine Vergütungspflicht.
  • So sind Duschzeiten vergütungspflichtig, wenn der Arbeitnehmer sehr stark schmutzende Tätigkeiten oder Arbeiten mit stark geruchsbelästigenden Stoffen ausübt, er bei seiner Tätigkeit eine körpergroßflächige persönliche Schutzausrüstung trägt oder Tätigkeiten unter besonderen klimatischen Bedingungen oder bei Nässe verrichtet.
Fazit
Die Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten des vor Gericht klagenden Arbeitnehmers sind vergütungspflichtig. 

Und nachdem das nun geklärt ist, hier noch ein besonderer Tipp für Sie:

Arbeitgeber, die bei freien Stellen die Agentur für Arbeit vergessen, riskieren Diskriminierungsklagen. Zu Recht!

Ein Arbeitgeber hatte eine freie Stelle zu vergeben. Er stellte diese Stelle auch bei der Jobbörse der Agentur für Arbeit ein. Aber mit Blick auf schwerbehinderte Menschen hatte er eine wichtige Sache vergessen. Die brachte ihm im Anschluss eine Klage auf Schadenersatz wegen Diskriminierung ein.

Wie Sie dieses Urteil nutzen, um schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen wirkungsvoll zu helfen, entdecken Sie in der neuen Ausgabe des Informationsdienstes „Inklusion aktiv – Aktuelle Tipps und Empfehlungen für Schwerbehinderten-Vertretungen, Betriebs- und Personalräte. Sie erhalten diese Ausgabe zum Kennenlernen gratis. Sie brauchen nur hier zu klicken.

Ihre
Andrea Einziger
Redaktionsleitung