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Ausgabe KW 35/2024
8. Jahrgang

Klartext vom Gericht: Bei Seminarbesuchen kommt es nicht auf jeden Tag an


Der Betriebsrat eines Unternehmens aus der Metallverarbeitung hatte beschlossen, zwei Betriebsratsmitglieder zu einem fünftägigen Seminar „Lärmschutz in Büro und Produktion“ zu entsenden. Grund: Schon seit einigen Jahren stritten Betriebsrat und Arbeitgeber immer wieder über die Erforderlichkeit von zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen im Betrieb. Dann passierte es …

Was genau passiert ist … und warum das neue Gerichtsurteil dazu Ihre Rechte als Betriebsrat auf Weiterbildung stärkt:

Das entdecken Sie in der neuen Ausgabe des Betriebsrats-Informationsdienstes „Betriebsrat vertraulich“. Sie erhalten die Ausgabe aus diesem wichtigen Grund und zum Kennenlernen gern gratis. Es geht ganz einfach: Sie brauchen nur noch hier zu klicken!

Wann Ihr Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung zurückfordern kann

Liebe Betriebsrätin,
lieber Betriebsrat, 

manchmal denke ich: Wenn ein Betriebs- oder Personalrat so handeln und agieren würde, wie es die „Ampel“ tut: Es würde nicht lange dauern, und die Beschäftigten würden Abwahlversuch unternehmen.

Es ist doch schade, dass gerade in den herausfordernden Zeiten, die wir derzeit erleben, nicht alle drei Parteien an einem Strang ziehen. Das sie zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger arbeiten, die sie gewählt haben. „Gewählt werden“ heißt doch auch immer: „Ich gebe Dir einen Vertrauensvorschuss“.

Das Land braucht kreative Lösungen, Ideen, Politikerinnen und Politiker, die auch mal über den eigenen Rand hinausschauen. Es gibt für die derzeitige Situation, also für explodierende Sozialabgaben, exorbitant hohe Steuern, marode Infrastruktur, Integrationsdruck, Pflegenotstand, Wirtschaftskrise und Co. nicht die eine Patentlösung. Vor allem müssen zukunftsfähige Konzepte her. Und das heißt: mutige und visionäre Ideen. Solche, wie Sie auch von Ihnen als Betriebsrat erwartet werden, wenn die Situation schwierig wird. Deshalb:

Spielen Sie im Fall der Fälle nicht Ampel. Denken Sie in Lösungen. Das ist der einzig richtige Weg.

Urteil: Hier darf der Arbeitgeber nachträglich die Entgeltfortzahlung zurückfordern


Ein Arbeitnehmer hatte die Kündigung seines Arbeitgebers erhalten. Daraufhin legte er diesem eine Krankmeldung (AU-Bescheinigung) vor. Er war passgenau bis zum Ende der Kündigungsfrist krankgeschrieben. Der Arbeitgeber leistete Lohnfortzahlung, forderte diese aber später zurück. Wohl auch aufgrund des Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus 2021. Das hatte damals entschieden:

Ein Indiz zur Erschütterung ihres Beweiswertes kann es sein, wenn die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau die nach einer Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist abdeckt (BAG, Urteil vom 8.9.2021, Az: 5 AZR 149/2).

Der Arbeitnehmer wollte aber das Geld nicht zurückerstatten. Er meinte, dass das Urteil nur für den Fall anzuwenden ist, wenn die Kündigung vom Arbeitnehmer ausgegangen sei. Doch weit gefehlt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg Urteil vom 5.7.2024, (Az: 12 Sa 1266/23) hat entschieden:

Mit Blick auf das BAG-Urteil ist es egal, ob es sich um Kündigung von Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite handelt. Auch bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber kann der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert werden, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar nach dem Zugang der Kündigung erkrankt und nach den Gesamtumständen des zu würdigenden Einzelfalls Indizien vorliegen, die Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit begründen. Auch hierzugibt es übrigens schon ein Urteil des BAG. Es wurde am 13.12.2023 gefällt (Az: 5 AZR 137/23).

Können sich Betroffene „retten“?
Ja. Indem sie beweisen, dass wie wirklich krank waren. Im Grunde müssen Sie die der Krankschreibung zugrundeliegende Diagnose offenlegen und damit den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht befreien.

Hierzu war der Beschäftigte im entschiedenen Fall nicht bereit. Sein Fehler. Denn so entschied das Gericht: Schon deshalb gilt „das Vorbringen … er sei in dem in Rede stehenden Zeitraum tatsächlich nicht arbeitsunfähig krank gewesen, als zugestanden. Somit besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.“

Im Klartext: Wenn der Arbeitgeber sagt: „Du warst gar nicht krank“ ist es laut Gericht Sache (sofern es tatsächlich Zweifel an der AU-Bescheinigung gibt) der oder des Beschäftigten zu beweisen, dass er oder sie tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war. Allein durch die Behauptung des Arbeitgebers dreht sich die Beweislast also um!

Das Gericht schreibt in der Urteilsbegründung ganz klar: „Erklärt sich der Arbeitnehmer nicht zu den konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit, so gilt die Behauptung des Arbeitgebers …“

Für den Ablauf heißt das Folgendes:
  1. Legt ein Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, „so begründet dieses in der Regel den Beweis für die Tatsache der arbeitsunfähigen Erkrankung.“
  2. Ein solches Attest hat einen hohen Beweiswert, denn es ist der gesetzlich in § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (zuletzt: BAG, Urteil vom 28.6.2023, Az: 5 AZR 335/22).
  3. Der Arbeitgeber muss, sofern er die AU-Bescheinigung bzw. deren Beweiswert anzweifelt, klare Verdachtsmomente für seine Zweifel vortragen. Beispiel: Passgenaue AU-Bescheinigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nach einer ordentlichen Kündigung.
  4. Damit geht dann die Beweislast auf den Arbeitnehmer über. Dieser muss nun „im Einzelnen vortragen, warum sein Fehlen als entschuldigt anzusehen ist. Nur diese vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen. Beruft sich der Arbeitnehmer auf eine Krankheit, so hat er, solange ein ärztliches Attest nicht vorgelegt ist, vorzutragen, welche tatsächlichen physischen oder psychischen Hintergründe vorgelegen haben. Der Arbeitgeber hat das zu widerlegen" (so auch das BAG mit Urteil vom 26.8.1993, Az: 2 AZR 154/93).
  5. Wenn der Arbeitnehmer den Gegenbeweis nicht antritt, bekommt der Arbeitgeber Recht und kann, sofern er schon Entgeltfortzahlung geleistet hat, diese zurückfordern bzw. brauchte von Anfang an nicht zu zahlen..
Fazit
Im Fall der Fälle müssen Betroffene mit offenen Karten spielen. Sonst in der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verloren. Weisen Sie in der kommenden Betriebsversammlung oder in Ihren Betriebsratsinformationen an die Belegschaft unbedingt noch einmal darauf hin.

Nachrücker in den Betriebsrat: Die 8 entscheidenden Fakten

Die laufende Amtszeit der Betriebsräte in Deutschland ist in die zweite Halbzeit gegangen, die nächsten regulären Wahlen finden zwischen dem 1.3. und dem 31.5.2026 statt. Doch während der laufenden Amtszeit kann es natürlich immer wieder vorkommen, dass gewählte Mitglieder ausfallen und durch Nachrückerinnen oder Nachrücker ersetzt werden müssen. Jetzt, in der zweiten Amtshälfte, nicht ungewöhnlich. 

Mein Tipp
Acht harte und entscheidende Fakten für Sie, damit ein Wechsel reibungslos klappt, entdecken Sie in der neuen Ausgabe des Betriebsrats-Informationsdienstes „Betriebsrat vertraulich“. Sie erhalten diese Ausgabe zum Start der zweiten Hälfte Ihrer Amtszeit gerne gratis. Es geht ganz einfach: Sie brauchen nur noch hier zu klicken!

Ihre
Andrea Einziger
Redaktionsleitung